Die deutsche Grundsteuerreform - Dichtung und Wahrheit

Am 10.04.2018 entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil, dass die bisherige Bewertung von Grundvermögen zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen führt, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt und daher verfassungswidrig ist.

Die darauf folgende Reform der Grundsteuer in Deutschland hat viel Staub aufgewirbelt. Zwar sollen die Änderungen erst 2025 wirksam werden, doch schon bei den ersten Planungen wurde Kritik laut. So ließ bereits Anfang 2019 ein Experte in einem Artikel in der Wirtschaftswoche kein gutes Haar an den Reformplänen und bezeichnete sie schlicht als "Quatsch". Und die Kritik an den Plänen zur Reform der Grundsteuer riss seitdem nicht ab. Im Gegenteil: Im Internet bildeten sich im Laufe der Zeit zahllose Foren und Gruppen, die über den Sinn und Unsinn der Reform lamentieren und diskutieren.

Im Forum von WiWi-TReFF beklagt ein Gast am 29.01.23 beispielsweise, "wie stark man die Bürger in diesem land noch melken will" und auf der Forumsseite von MacTechNews tauschen sich meist überforderte Menschen unter dem Forumstitel "Grundsteuerreform - ich bin zu blöd" aus.

Die Probleme und empfundenen Risiken bei der geplanten neuen deutschen Grundsteuer sind offensichtlich vielfältig. Die Diskussionsteilnehmer kommen dabei sowohl von Seiten der Mieter als auch der Eigentümer von Immobilien. Hinzu gesellen sich zahllose Experten (und solche, die sich dafür halten) aus den verschiedensten Bereichen sowie Journalisten und natürlich auch diverse Politiker.

Bundeskanzler Olaf Scholz versprach inzwischen öffentlich, dass die Grundsteuerreform in der Summe aufwandsneutral werden wird, das Bundesfinanzministerium erstellte eigens eine Internetseite mit FAQs zum Thema, und auch das ZDF versuchte mit einem Beitrag und Video vom 23.01.2023 Hilfestellung zu leisten und die Wogen zu glätten.

Jedoch glaubt in der Bevölkerung den Vertretern von Staat und Medien kaum jemand. Vielmehr drehen sich die Diskussionen vor allem um Themen wie "Ist die Grundsteuerreform verfassungswidrig?". Befeuert werden derartige Positionen von Artikeln wie dem im Münchner Merkur vom 31.01.2023, in dem ein Jura-Professor Eigentümern in mehreren Bundesländern zur Klage rät oder auch in der Online-Ausgabe des Magazins FOCUS vom 16.03.2023, das in dieselbe Kerbe schlägt.

Andere sehen gar eine eine Art "Verschwörungstheorie", mit der der Staat durch die Grundsteuer Eigentümer von Häusern und Grundstücken enteignen will. Gestützt werden sie in ihrer Sicht dabei sogar von Parteien. So konnte man in der Online-Ausgabe des Staatsanzeigers schon am 06.04.2022 lesen: "FDP befürchtet „kalte Enteignung“ durch neue Grundsteuer". Und auch die renommierte Zeitung Welt ließ am 28.01.2023 einen ihrer Autoren schreiben, dass die "Grundsteuer Enteignung" ist, "die der Bürger unter Strafandrohung selbst besorgen soll".

Nüchterner geht die Frankfurter Rundschau in ihrer Online-Ausgabe vom 31.01.2023 mit dem Thema um. Zwar spricht man auch hier vom "Grundsteuer-Chaos", gibt aber, ähnlich wie das ZDF, einen Überblick über die tatsächliche Situation und unterstützt diese mit einem Video, das Betroffenen helfen soll, die Erklärung zur Feststellung korrekt auszufüllen.

Am 27.01.2023 berichtete DER SPIEGEL, dass kurz vor Ende der Frist nur ca. 65% der Eigentümer ihre Grundsteuererklärung abgegeben hätten. Die bis zum 31.01.2023 verlängerte Abgabefrist ist längst abgelaufen und es ist unklar, wie viele Haus- und Grundstücksbesitzer ihre Erklärungen noch abgeben werden. Auf der Website des Deutschen Bundestages ist nachzulesen, dass bis zum 01.03.2023 immerhin 77,68 Prozent aller Grundsteuer-Erklärungen abgegeben wurden.

Man kann sich nun fragen, was die Gründe der Verbliebenen gut 22 Prozent sind, die Erklärung (noch) nicht abgegeben zu haben. Wahrscheinlich ist, dass die Zahl derjenigen, die es aus prinzipieller Ablehnung und aufgrund rechtlicher Bedenken bisher unterlassen haben, eher gering ist. Wäre dem so, dann liegt es wohl vor allem entweder an

  1. weiter bestehenden technischen Problemen oder

  2. schlichter Überforderung beim Ausfüllen der komplizierten und unübersichtlichen Formulare, die noch dazu Daten abfordern, welche den Haus- und Grundstücksbesitzern nicht immer vorliegen und die sie daher selbst erst recherchieren und anfordern müssen.

Die technischen Probleme begannen schon bei "Elster", das mit dem Slogan "Ihr Online-Finanzamt" wirbt. Die Online-Ausgabe des Magazins Stern titelte am 11.07.2022: "Großer Andrang: Probleme bei Steuer-Plattform "Elster"". Im Text erfährt der Leser, dass es aufgrund der hohen Nachfrage zu "Einschränkungen bei der Verfügbarkeit" kam. Kein Ruhmesblatt für die Steuerbehörden und ein echtes, nicht nur zeitliches Problem für die strapazierten Eigentümer, die ihrer Pflicht nachkommen wollten, aber nicht konnten.

Ein technisches Hauptproblem liegt bis heute auch darin, dass es, wie ein Artikel der Frankfurter Rundschau vom 31.01.2023 ausführt, noch keine einheitliche Datenbank gibt, obwohl diese wohl von langer Hand geplant war. In dieser, unter dem Namen "Languste" bekannte Liegenschafts- und Grundstücksdatenbank, sollten die Grundstücksinformationen gesammelt werden. Damit wäre die Berechnung der Grundstückswerte stark vereinfacht worden.

Das möglicherweise entscheidendste Problem ist aber tatsächlich das Ausfüllen der Formulare selbst. Einerseits sind die abgefragten Daten selbst schon umfangreich. Laut Bundesfinanzministerium gehören dazu: Größe des Grundstücks, Grundbuchblattnummer (falls zur Hand), Gemarkung, Flur, Flurstück, für Eigentumswohnungen: Miteigentumsanteil am Grundstück, Steuernummer/Aktenzeichen des Grundstücks, Bodenrichtwert, Genaues Baujahr des Gebäudes (ab einem Baujahr von 1949), Wohnfläche, Anzahl der Garagenstellplätze sowie die Kontaktdaten der Eigentümerinnen und Eigentümer und deren Anteile am Eigentum.

Wer sich die Mühe macht, bei Google unter "Woher bekomme ich die Daten für die neue Grundsteuer" zu suchen, sieht schnell, wo das wahre Problem liegt. Viele Eigentümer mussten sich nie oder schon viele Jahre nicht mehr mit einigen der angeforderten Daten beschäftigen. Entsprechend umfangreich sind die Online-Suchanfragen nach Quellen. Der zeitliche und nervliche Aufwand ist hoch. Und in Verbindung mit den weiter vorhanden technischen Problemen für so Manchen vielleicht schlicht zu viel.

Am Ende wird die Grundsteuerreform aber kommen - so sicher wie das Amen in der Kirche! Und für nicht wenige werden die Abgaben steigen. Ob die Reform, wie vom Kanzler versprochen, dann "insgesamt aufwandsneutral" ist, wird sich dann zeigen.

 
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