Ist Auswandern ohne Steuerabkommen ein großer Fehler???
Vielleicht kennst du diesen Moment: Du spielst seit Monaten mit dem Gedanken auszuwandern, hast schon YouTube-Videos verschlungen, in Foren gelesen und mit Freunden gesprochen. Aber sobald das Wort Doppelbesteuerungsabkommen fällt, wird alles neblig. Klingt trocken, juristisch, weit weg vom echten Leben. In Wahrheit entscheidet ein Doppelbesteuerungsabkommen (kurz: DBA) jedoch häufig darüber, ob du entspannt lebst – oder ob dich unerwartete Steuern aus Deutschland noch Jahre später einholen. Genau deshalb lohnt es sich, das Thema einmal klar, greifbar und ohne Fachchinesisch zu betrachten.
Kurz gesagt: Ein DBA legt fest, welches Land bestimmte Einkünfte besteuern darf. Es geht also weniger darum, „wo du wohnst“, sondern eher darum, „wer an welchem Einkommen ein Besteuerungsrecht hat“. Und das ist gerade dann entscheidend, wenn du nach dem Umzug weiterhin Berührungspunkte mit Deutschland hast – sei es durch Rente, Gehaltstage in Deutschland, Kunden vor Ort oder Vermögenswerte wie Krypto.
Wichtig: Nicht alle Länder sind gleich. Es gibt Länder mit DBA zu Deutschland (z. B. Malta, Zypern, viele EU-Staaten, auch die Schweiz – mit Besonderheiten), und Länder ohne DBA (z. B. die Vereinigten Arabischen Emirate/Dubai). Dazu kommen Sondersysteme wie die Beckham Rule in Spanien oder die Pauschalbesteuerung in der Schweiz, die in der Praxis die Wirkung eines DBA aushebeln können.
Die Folge: Ohne DBA oder bei ausgehobenem DBA greift Deutschland in mehr Fällen zu, als viele erwarten – etwa bei bestimmten Renten, Quellensteuer auf Arbeitstagen in Deutschland oder bei Veräußerungsgewinnen, wenn die Einkünfte nicht eindeutig „ausländisch“ sind. Mit DBA hast du dagegen oft einen klaren Rechtsrahmen, der dir Planungssicherheit gibt und Doppelbesteuerung vermeidet.
Was ein DBA für dich wirklich regelt
- Das Besteuerungsrecht: Ein DBA verteilt Besteuerungsrechte zwischen zwei Staaten. Wer darf welche Einkünfte besteuern? Das ist der Kern.
- Schutz vor Doppelbesteuerung: Es sorgt dafür, dass nicht beide Länder voll draufschlagen. Entweder einer darf besteuern, oder eines rechnet die Steuer des anderen an.
- Praxisrelevanz: Vor allem dann wichtig, wenn du weiterhin deutsche Einkünfte hast oder regelmäßig in Deutschland arbeitest (auch tageweise!).
Häufige Szenarien – und was sie für dich bedeuten
1) Rente im Ausland: Gleiche Person, völlig andere Steuerwirkung
Stell dir vor, du beziehst eine deutsche gesetzliche Rente und zusätzlich eine (höhere) Betriebsrente.
- Umzug nach Dubai (kein DBA): Beide Renten können in Deutschland steuerpflichtig sein.
- Umzug nach Griechenland (DBA, Sonderregime): Auf gesetzliche und Betriebsrente kann ein pauschaler Steuersatz von 7 % anfallen.
- Umzug nach Italien (DBA): Die gesetzliche Rente wird in Deutschland besteuert, die Betriebsrente in Italien – auch hier können 7 % möglich sein.
Gerade wenn die Betriebsrente hoch ist (z. B. Ex-Vorstände mit sechsstelligen Beträgen), machen diese Unterschiede eine dramatische Summe aus. Rechne das einmal auf 10 oder 15 Jahre hoch – da geht es schnell um Hunderttausende Euro Unterschied, nur aufgrund der Länderwahl und der DBA-Regeln.
2) Krypto: Timing, Land und die Frage, wer besteuern darf
Krypto ist international – und genau deshalb steuerlich knifflig. Ziehst du von Deutschland nach Dubai um und verkaufst dort zeitnah Coins, ohne die deutsche Ein-Jahres-Haltefrist einzuhalten, kann Deutschland unter Umständen noch bis zu 10 Jahre lang besteuern. Anders sieht es aus, wenn du z. B. in die Schweiz ziehst und das DBA greift: Dann hat Deutschland in vielen Konstellationen kein Besteuerungsrecht mehr; die Schweiz besteuert – und unter bestimmten Voraussetzungen sind Veräußerungsgewinne dort sogar steuerfrei, selbst ohne die Ein-Jahres-Haltefrist. Achtung: Achte darauf, nicht in einen Kanton zu ziehen, der aus deutscher Sicht als niedrig besteuertes Gebiet gilt – sonst kann die DB‑Wirkung verpuffen.
Die Essenz: Wenn du kurzfristig Krypto verkaufen musst (zum Beispiel aus Risiko- oder Liquiditätsgründen), ist die Länderwahl mit/ohne DBA oft entscheidend. Wenn du ohnehin die Ein-Jahres-Haltefrist einhältst, ist es weniger kritisch – aber Planung zahlt sich trotzdem aus.
3) Arbeiten in Deutschland trotz Auswanderung: Quellensteuer und Arbeitstage
Viele unterschätzen, wie schnell sie steuerlich „zurück“ in Deutschland sind – nicht durch den Wohnsitz, sondern durch Tätigkeitstage.
- Beispiel Schönheitschirurg: Wohnsitz in Dubai (kein DBA), aber regelmäßige OP‑Tage in Deutschland. Das Krankenhaus muss Quellensteuer einbehalten, weil es kein DBA gibt.
- Gleicher Job, andere Struktur: Wohnsitz in Malta (DBA) mit maltesischer Gesellschaft, Anstellung dort und OP‑Tage in Deutschland. Hier wird typischerweise keine deutsche Quellensteuer einbehalten, da du aus einem DBA‑Staat kommst und die Zuteilungsregeln greifen.
Auch für Digitalnomaden und Consultants gilt: Wenn du in Deutschland Kundentermine wahrnimmst, Workshops leitest oder Projekte vor Ort erledigst, können die entsprechenden Arbeitstage in Deutschland steuerpflichtig sein – besonders problematisch, wenn dein Arbeitgeber/Unternehmen in einem Nicht-DBA-Staat sitzt. Nicht deklarieren ist keine Option: Das kann als Steuerhinterziehung gewertet werden.
Länder mit Abkommen, Länder ohne – und Sonderfälle
- Mit DBA: Malta, Zypern, Italien, Griechenland, Schweiz (Achtung bei Pauschalbesteuerung), viele EU-/OECD-Staaten.
- Ohne DBA oder mit ausgehobener Wirkung: Vereinigte Arabische Emirate/Dubai, USA‑Strukturen wie die klassische US‑LLC für digitale Nomaden (ohne Abkommensschutz), Spanien mit Beckham‑Regel, Schweiz mit Pauschalbesteuerung (kann das DBA faktisch aushebeln).
Der Unterschied ist nicht akademisch. Er bestimmt, ob Deutschland überhaupt zugreifen darf, ob Quellensteuer entsteht, und ob du Doppelbelastungen vermeiden kannst.
Häufige Irrtümer rund ums DBA
- „DBAs sind nur Papierkram.“ Falsch. Sie schaffen Planungssicherheit und können fünf- bis sechsstellige Beträge sparen.
- „Mit DBA hat Deutschland mehr Einsicht in meine Daten.“ So pauschal falsch. Informationsaustausch basiert auf separaten Abkommen und internationalen Standards – ein DBA an sich ist in der Regel ein Plus für dich, kein Minus.
- „Ohne DBA ist es egal – Hauptsache ich bin weg.“ Eben nicht. Ohne DBA greift Deutschland in mehr Situationen zu (Renten, Arbeitstage, bestimmte Veräußerungen).
Wie Deutschland es merkt – typische Auslöser
Viele fragen: „Wer soll das denn rausfinden?“ Antwort: öfter, als man denkt.
- Betriebsprüfungen bei deinen deutschen Kunden: Rechnungen einer Auslandsfirma (z. B. Dubai) lösen Fragen aus – etwa, ob und wann du in Deutschland warst.
- Rückkehr nach Deutschland: Beim Wiedereinzug wird häufig geprüft, was du im Ausland gemacht hast – inklusive Anzahl deiner Tage in Deutschland und Tätigkeiten.
- Zahlungsströme und Verträge: Unklare Strukturen, vermischte Konten oder Verträge mit deutschen Bezügen sind Einladungen für Nachfragen.
Strategien, wenn kein DBA vorhanden ist (oder besondere Regeln greifen)
Nur weil ein Land kein DBA mit Deutschland hat, ist es nicht vom Tisch. Es erfordert einfach mehr Planung.
- Tätigkeiten in Deutschland minimieren oder sauber strukturieren: Wenn nötig, klare Trennung – etwa über eine Struktur in einem DBA‑Land, in dem du wirklich lebst und angestellt bist.
- Tagebuch führen: Arbeitstage in Deutschland dokumentieren. Das ist Gold wert, wenn Fragen kommen.
- Länderwechsel mit Blick auf Einkünfte planen: Rente, Krypto, Freiberuflichkeit – für jede Einkunftsart können andere Länder vorteilhaft sein.
- Spezialregime prüfen: Spanien (Beckham), Schweiz (Pauschalbesteuerung) – verstehen, wann diese die DBA‑Wirkung aushebeln.
- Doppelwohnsitz als Option: Ein fester Wohnsitz in einem DBA‑Land (z. B. Malta oder Zypern) plus Aufenthalte in einem Nicht‑DBA‑Land wie Dubai kann funktionieren – vorausgesetzt, du lebst die Struktur und arbeitest in Deutschland für die „richtige“ Gesellschaft.
Praxis-Checkliste für deine Planung
- Welche Einkünfte behältst du nach dem Umzug (Rente, Gehalt, Dividenden, Krypto, Mieteinnahmen)?
- In welchen Ländern willst du dich tatsächlich aufhalten – und wie viele Tage pro Jahr in Deutschland?
- Gibt es für dein Ziel‑Land ein DBA mit Deutschland – oder wird es durch Sonderregime ausgehebelt?
- Planst du Tätigkeiten in Deutschland (Meetings, Workshops, OP‑Tage, Projektarbeit)?
- Wie strukturierst du dein Arbeitsverhältnis/Gesellschaft (Sitz, Anstellung, Betriebsstätte)?
- Wann verkaufst du Krypto/Assets – vor oder nach dem Umzug, und in welchem Land greift das Besteuerungsrecht?
- Hast du Nachweise: Mietverträge, Abrechnungen, Reise- und Arbeitstage, Verträge mit Kunden?
- Hast du eine Exit‑ und Re‑Entry‑Strategie (was passiert bei Rückkehr nach Deutschland)?
Warum Länder wie Malta oder Zypern so oft empfohlen werden
Es ist kein Zufall, dass Berater häufig Länder wie Malta oder Zypern ins Spiel bringen. Beide haben DBAs mit Deutschland und klare Regeln für die Zuteilung der Besteuerungsrechte. Für Unternehmer, Freiberufler und Investoren entsteht dadurch Planungssicherheit – gerade, wenn sie weiterhin mit Deutschland zu tun haben, etwa durch Kundenbesuche, Projektarbeit oder deutsche Einkünfte. Das bedeutet nicht, dass Dubai „schlecht“ ist – nur, dass ohne DBA mehr Stellschrauben sauber gestellt werden müssen, damit nicht plötzlich deutsche Steuerpflichten aufploppen.
Konkrete Tipps zum Start
- Starte mit einer Land‑Einkünfte‑Matrix: Liste deine Einkünfte und prüfe pro Wunschland, wer besteuern darf.
- Stimme Zeitpunkte ab: Umzug, Vertragswechsel, Krypto‑Verkäufe – Timing kann Steuern entscheiden.
- Denke in Prozessen, nicht nur in Adressen: Wohnsitz, tatsächlicher Lebensmittelpunkt, Arbeitgeber, Rechnungsstellung, Kundenkontakte – alles muss zusammenpassen.
- Hol dir früh spezialisierte Beratung: Internationale Steuern sind nichts für Bauchgefühl. Ein Erstgespräch kostet weniger als ein Steuerproblem.
Fazit: Mit DBA planst du freier – ohne DBA planst du genauer
Ein Doppelbesteuerungsabkommen ist kein lästiges PDF, sondern dein Sicherheitsnetz. Es legt fest, wer was besteuern darf, und schützt dich vor doppelten oder unnötigen Belastungen. Wenn du weiterhin Berührungspunkte zu Deutschland hast – Renten, Kunden, Arbeitstage, Vermögensverkäufe –, dann ist ein DBA oft der Unterschied zwischen „läuft“ und „aua“.
Heißt das, du darfst nicht nach Dubai ziehen? Nein. Es heißt nur: Plane sorgfältiger, strukturiere sauber, dokumentiere besser. Prüfe Alternativen wie einen Wohnsitz in einem DBA‑Land (z. B. Malta oder Zypern) und halte dich an die Spielregeln, wenn du in Deutschland arbeitest.
Wenn dich diese Fragen umtreiben, ist jetzt der beste Zeitpunkt, die Weichen richtig zu stellen. Sortiere deine Einkünfte, lege deine Wunschländer fest und hol dir eine zweite Meinung von jemandem, der solche Fälle täglich sieht. So machst du den ersten konkreten Schritt in Richtung mehr Geld, mehr Freiheit – und weniger unangenehme Überraschungen.